Fragmente 1.1 – Aufbruch


Lieber Nick ...

Was bisher geschah:

Fragmente 1.0 – Anne

„Mann, Du Idiot! In welcher Lotterie hast Du Deinen Führerschein gewonnen?“ Nick war ausser sich vor Schreck und Wut. Um ein Haar wäre er mit voller Wucht in das Fahrzeug vor ihm gekracht. Dabei hatte er doch seinen Wagen erst vor drei Wochen beim Händler in Empfang genommen und war mächtig stolz auf seinen neuen, silbergrauen Kombi der Luxusklasse. Eigentlich hätte er sich diesen Modell gar nicht leisten können, denn als Verkäufer in einem Computerfachgeschäft verdiente er nicht gerade viel. Seit Anne arbeitslos war, lag sowieso nicht mehr viel drin. Anne – Sie war es, die ihm durch den Kopf ging und weshalb er zu spät bemerkte, dass die Ampel von grün auf rot wechselte. Aber nicht nur sie geisterte durch seinen Kopf und trieb ihn in Gedanken weit weg von der Strasse. Auch und vor allem Lydia.

Beim Gedanken an seine neue Bekanntschaft huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Sie war so ganz anders als Anne. Fröhlich, unbeschwert, ausgelassen und fast schon ein bisschen burschikos. Das konnte sie sich aber auch leisten, denn Lydia war eine lebende, junge Göttin. Ihr Körper war schlank, sie war sportlich trainiert und mit Ihrem Arsch könnte sie Nüsse knacken. So beschrieb er jeweils seine neuste Eroberung seinen Kollegen. Aber Anne? Mit ihr war es eine gewisse Zeit lang ganz toll. Sie hatte Stil, war lieb und zuvorkommend. Hübsch war sie sowieso und sehr intelligent. Fast zu intelligent. Seit Anne ihren Job als Speditionskauffrau verloren hatte, wurde sie nachdenklicher und fing an, sich über ihr Leben Gedanken zu machen. Das verdarb Nick zusehends den Spass.

„Über das Leben braucht man sich keine Gedanken zu machen“ sinnierte Nick laut vor sich hin, „es geschieht sowieso alles von alleine, auch ohne dass man sich den Kopf darüber zerbricht“. Verächtlich stiess er einen zischenden Laut aus und vor seinem geistigen Auge tauchten Bilder auf von Anne, die philosophische Weisheiten von sich gebend irgend einen Emanzenclub um sich versammelt hatte. Nein, er wollte Spass im Leben. Keinen zerbrochenen Kopf vom vielen Nachdenken.

„Liebe ich sie überhaupt noch?“ fragte er sich urplötzlich. Schliesslich bügelte sie seine Hemden, kaufte ein, kochte ihm das Essen und legte sich neben ihn auf die Couch um sich den neusten Schrott im Fernsehen anzusehen. Sie schaute sogar ab und zu ein Fussballspiel mit ihm. „So eine Frau muss man heute erst mal wieder finden“ sprach er vor sich hin. Aber Liebe? War es das wirklich noch? Nick schüttelte diesen Gedanken ab. „Liebe ist sowieso eine Illusion“ dachte er wieder laut. „Hauptsache, sie verdirbt mir nicht meinen Spass“.

Als Nick zu Hause ankam, traf ihn fast der Schlag. Die Wohnung war praktisch leer. Ein Schrank stand noch im Schlafzimmer und der Küchentisch trohnte als Einzelstück in der Ecke am Fenster in der Küche. Auf dem Tisch lagen die Wohnungsschlüssel und ein Blatt Papier, er nahm es in die Hand und begann zu lesen:

Lieber Nick
Die Zeit ist gekommen, da sich unsere Wege trennen. Ich gehe fort um ein neues Leben zu beginnen. Heute Morgen blickte ich tief in Deine Augen um festzustellen, ob da noch ein bisschen von dem Feuer zwischen uns geblieben ist. Wenigstens ein kleines bisschen Glut erwartete ich. Aber Deine Augen waren kalt und leer. Und mein Herz ist es mittlerweile auch.Ich werde in Sandras Wohnung ziehen, bis ich etwas Eigenes gefunden habe, dass ich mir leisten kann. Meine Möbel habe ich mitgenommen. Sie sind das einzige, was mir geblieben ist.
Rufe mich nicht an, suche mich nicht. Es gibt kein Zurück und bin froh, endlich den Mut gefunden zu haben, zu gehen.

Adieu – Lebe wohl
Anne

Nick fühlte, wie der Boden unter seinen Füssen schlagartig einen Meter absank. Eine Mischung aus Gefühlen flutete seinen Körper. Wut und Verletztheit, aber auch Verzweiflung und Selbstmitleid machten sich in ihm breit, frassen sich in jede Zelle seines Körpers und fieberhaft suchte er irgendetwas, an dem er sich festhalten konnte. Er lehnte sich an den Küchentisch und schnappte nach Luft. „Diese Schlampe“ brüllte er urplötzlich so laut seine Stimmbänder es hergaben. „Was fällt der eigentlich ein?“ „Ich werde….“ Er durchforstete sein innerstes nach Qualen die er Anne an den Hals wünschen konnte, „sie soll… ich will…zur Hölle mit dieser Scheisskuh!“ Sein Kopf blieb leer und schmerzte. Er fühlte sich verlassen, verraten und war verzweifelt.

Ein paar Kilometer weiter kam Anne gerade aus dem Hause ihrer Eltern. Ihr Vater lebte dort schon seit Jahren alleine, seit seine Frau ihn verlassen hatte und ins Ausland gezogen war. Platz war genug und Anne konnte bei ihm alle Möbel unterbringen, die sie im Moment nicht brauchte. Sie setzte sich ins Auto und fuhr zum Haus von Sandra, die sie schon an der Tür erwartete. Anne stieg aus und die beiden Freundinnen fielen sich in die Arme. Beim Kaffee erzählte Anne alles was in den letzten Tagen passiert war und dabei sprühte sie vor Lebenslust und es war ihr anzumerken, dass sie nicht auf der Flucht sondern im Begriff war, endlich den spannenden Pfad ihres eigenen Lebens wieder zu beschreiten. Sie hatte sich gerade einen grossen Bissen Schwarzwäldertorte in den Mund gegabelt, als ihr Handy klingelte. Sie schaute auf das Display und  traute ihren Augen nicht!

Weiter mit Fragmente 1.2 – Anruf aus der Vergangenheit

20 Gedanken zu “Fragmente 1.1 – Aufbruch

  1. Teenudel

    Eine tolle Fortsetzung…. bin jetzt noch gespannter, wie es weitergeht.

    Dein Schreibstil ist total packend *lechz-nach-mehr*

    GlG von der Teenudel

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  2. Wenn man den Augen nicht traut, dann ruft sicher jemand an, den man ganz doll mag, aber nur heimlich und der sich einfach nie meldete und dann plötzlich, ja dann traut man seinen Augen nicht.

    Keine Ahnung wie das nun weitergeht. UNd verrat mir bitte, wie sie so schnell ausziehen konnte, ich sitze hier zwischen zig Kisten und sehe kein Ende.

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  3. @Teenudel: Sogar ich bin gespannt wie es weitergeht, ich weiss es nämlich auch nur in ganz groben Zügen und bin da also für ungeahnte Wendungen noch völlig offen!

    @Chnübli: Du darfst ebenso gespannt sein wie ich. Es gibt ca. drei Möglichkeiten und ich bin noch nicht einig mit mir, welche ich denn nun geschehen lasse. Ihr Vater hat übrigens spontan beim Umzug geholfen. Zusammen mit seinen Freunden vom Gesangsverein, war das in 6 Stunden, über die Bühne gegangen. Zum Guten Glück ist Anne relativ puristisch und hat nicht Schachtelweise Nippes und Kleinkram zusammengetragen. Und vergiss nicht, Freunde haben Autos und helfen gerne, wenn man sie fragt! ;-)

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  4. @CTC: Zufälligerweise ja, aber sie sind mit an diesem Wochenende von Freitag Morgen an in einem SkiWeekend mit dem Geschäft. Gibt es Ausweichtermine?

    @Erdge Schoss: Das, werter Herr Schoss bin ich auch! Bald werden wir erfahren, wer Anne hier anruft und wie sich die Geschichte weiter entwickelt.

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  5. Teenudel

    Guten Morgen Stoeps,

    du hast es wirklich geschafft, dass ich nun noch mehr nach der Fortsetzung fiebere und mir Gedanken mache, wie ich die Geschichte weiterschreiben würde…… Und ich bin gespannt, wer sich am anderen Ende des Telefons meldet, vielleicht ein Verflossener?

    Spann uns/mich bitte nicht mehr so lange auf die Folter.

    GlG Teenudel

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  6. @ChliiTierChnübler
    die freunde, die alle freitags zeit haben, haben vielleicht den gleichen job wie anne: nämlich keinen. *g* :P ;)

    oder aber es sind einige künstler, freiberufler und selbstständige mit flexibler zeiteinteilung dabei. dann lässt sich auch so ein spontanumzug mal organisieren. :)

    @stoeps
    eine spannende fortsetzung, toll geschrieben! und heut haben wir auch mal nick ein wenig kennen gelernt.
    ich werde mit spannung verfolgen, wie es weiter geht. :)

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  7. Danke. Leider hätte ich am FR ein paar helfende Hände gebrauchen können.

    Man muss dann umziehen, wenn man einen Transporter samt Fahrer hat gratis hat :) Und das ist in diesem Fall der Freitag. Aber wir sind zu viert, das geht schon und einräumen tun wir schon am Donnerstag den Tag durch.

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  8. @Teenudel: Guten Morgen liebe Teenudel. Das genau war das Ziel. Spannung zu erzeugen. Schliesslich ist diese Geschichte ja mein erster autodidaktischer Feldversuch :-)

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  9. @Oasenhoheit: Nick wird nicht der letzte sein, den Du kennenlernst ;-) Ich hoffe, ich kann die Spannung aufrecht erhalten *schwitz*. Das mit den 10% Inspiration und 90% Transpiration hat schon was ;-)

    @ChliiTierChnübler: Nächstels mal einfach ein bisschen früher anklopfen. Wenn immer möglich helfen wir Dir doch liebend gerne! Viel Glück als beim Umzug und möglichst wenig Schaden ;-)

    @little-wombat: Uff! Hat mich sehr nachdenklich gemacht, Dein verlinktes Posting. Und zudem ist es einfach hammer gut geschrieben! Alle Inspirationen kommen ja aus dem wirklichen Leben und man greift beim Schreiben automatisch auf Erlebtes zurück. Auch fiktives hat seine Wurzeln in der Realität. Hoffentlich kann die Geschichte aber Deinen Alltag etwas versüssen!

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  10. Teenudel

    Kaum zu glauben, dass das dein erster autodidaktischer Feldversuch ist, du schreibst, als würdest du das schon lange tun. Ich bin wirklich total begeistert. BITTE mach bald weiter…. ich bin süchtig nach der Fortsetzung. Du bist mein Held der Woche!

    GlG Teenudel

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  11. Teenudel

    Ich hab doch nur die Wahrheit geschrieben! Danke für dein Kompliment *verlegen-rotwerd*. Warum schaut denn dein Smilie so grantig?

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  12. Ups, weil ich mich vertippt habe! Es sollte ein :-) sein! ;-) Und ich verrate Dir etwas, ich habe meine Mittagspause für die Fortsetzung genutzt! Ich werde in der Nachmittagspause noch etwas feilen müssen. Aber stell Dir vor, ich liess meinen Fingern freien Lauf und es gibt dann immer so eine direkte Verbindung von Fantasie und Tastatur. Was dabei herauskam, jagte sogar mir selbst beim Schreiben einen Schauer über den Rücken. Ich kann Dir versprechen, es bleibt, nein – jetzt wird es erst recht spannend! Die Fortsetzung folgt bald!

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  13. Teenudel

    „Eine Verbindung von Fantasie und Tastatur“… du bist also quasi „nur“ der Ausführende und dir laufen Schauer über den Rücken…. nun bin ich noch gespannter (wenn das überhaupt möglich ist) auf die Fortsetzung. Du weißt ja, dass ich den Nervenkitzel liebe.

    Viel Spaß beim Weiter-Schreiben und noch viele zündende Ideen wünscht dir die Teenudel

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  14. Teenudel

    Heute kann ich die Fortsetzung leider nicht mehr lesen, aber morgen früh werde ich mich als Erstes darauf stürzen ;-) … dann kann morgen nix mehr schiefgehen.

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  15. Oh, Teenudel, so macht Schreiben Spass, wenn es so geschätzt wird! Aber es macht überhaupt Spass zu sehen, wo es einem hinführt, wenn man der Fantasie freien Lauf lässt! Und lass Dir eines gesagt sein, die Fortsetzung „Fragmente 1.3 – Raoul“ wird Dir Nervenkitzel bringen! Garantiert!

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