Schwul zu sein bedarf es wenig…


Zum Kommentar von Honigbaerli in meinem Post Stoepsorama: Stoeps und Tom im TV
kamen mir einige Gedanken, die ich gerne in einem separaten Post mitteilen möchte:

Honigbaerli schreibt: ..schön das ihr euch so öffentlich zeigt..ist ja nicht so üblich unter uns!!

@honigbaerli und @alle: Naja, ich dachte die Zeiten, in denen wir uns verstecken müssen, sind vorbei? Zumindest hier in Mitteleuropa und speziell in der Schweiz, dem einzigen Land, dass per Volksabstimmung mit um die 60% Ja-Stimmen die registrierte Partnerschaft für Homosexuelle (was für ein klinisches Wort…) eingeführt hat. Für mich persönlich ist diese Zeit auch vorbei, ich glaube sogar, es gab sie gar nie. Wir leben ja auf dem Land in einem Dorf mit 470 Einwohnern und haben dort absolut keine Probleme. Das ist zwei Dörfer weiter als dort wo ich aufgewachsen bin. Man kennt mich hier. Und Probleme mit meinem Schwulsein hatte ich auch sonst nie, nachdem ich mein Coming-Out mit 18 hinter mich brachte. Hängt aber vielleicht genau mit meiner/unserer Offenheit zusammen? Naja, vielleicht auch mit meinem frechen Mundwerk und meiner Schlagfertigkeit. Und vielleicht auch mit der Tatsache, dass ich keine Wattebausch schmeissende Husche bin. Die haben’s immer etwas schwerer, das gebe ich zu. Ich bin wer ich bin und das zeige ich auch. Und entsprechend bin ich für die Leute auch greifbar. Sich verstecken heisst auch lügen und wer akzeptiert schon gerne jemanden der lügt und nicht sich selber ist?

Seit ich 18 bin, weiss jeder der mich kennt das ich schwul bin. Und das ist auch gut so! ;-)

Und Schwul sein ist ja auch nix besonderes! Ich interessiere mich ja auch nicht dafür, ob mein Bankberater zu Hause gerne Gummiwindelspiele mit seiner Freundin treibt, oder mein Zahnarzt sich von seiner Frau auspeitschen lässt. Das ist jedem seine Privatsache. Und so ist es auch meine, dass ich halt einen Partner anstatt eine Partnerin habe. Aber ansonsten koche ich meinen Kaffee genauso mit Wasser.

Oft betrachten sich Schwule und Lesben als etwas ganz besonderes und bilden sich etwas darauf ein. Ich kenne auch ganze viele Leute die fast ausschliesslich in einem schwulen Kosmos, z.B. in Zürich leben. Da ist dann vom Arbeitgeber über den Nachbar, den Ladenbesitzer des Lebensmittelladens im Quartier, den Coiffeur, den Arzt, den Apotheker alles schwul. Da finden eigentlich sogar wirklich fast nur noch schwule Sozialkontakte statt. Ehrlich gesagt, das fühlt sich für mich etwas fremd an. Meine Definition von mir ist nicht, dass ich ein Schwuler bin. Ich bin Stoeps! Meine sexuelle Orientierung ist die, dass ich auf Kerle stehe. Aber damit hat es sich dann auch. Muss ich meine Lebensrealität und meinen Lebensstil wirklich auf meine sexuelle Orientierung ausrichten??? Ich finde das irgendwie komisch. Ich bin ein Mensch wie jeder andere auch. Mit Stärken und Schwächen, mit Talenten und schwierigen Anteilen. Ich kann an der Gesellschaft genau so wertvolle Beiträge leisten und mitwirken am sozialen Leben.

Ich kenne Schwule, die verbringen fast ihre ganze Freizeit damit, sich sexuell auszuleben. Das fand ich mit 18 auch mal toll. Wurde mir aber bald zu langweilig und eintönig. Das Leben hat mehr zu bieten als das.

Vielleicht hängt es eben mit meiner Sicht der Dinge zusammen, dass ich mit meinem heterosexuellen Umfeld nie Probleme hatte. Wir sind uns nicht fremd! Wir teilen die gleichen Probleme, Sorgen und Nöte, weil wir alle Menschen sind. Und um wieder zum Anfang zurückzukommen, was unter der Bettdecke läuft, ist Privatsache.

Vielleicht ticke ich da auch einfach zu simpel und mache es mir zu einfach? Aber es klappt!

Deshalb habe ich auch kein Problem mich öffentlich zu zeigen! Und das wünsche ich auch allen anderen von „unserer Familie“! Schwul- oder lesbisch sein sollte nicht mehr oder weniger gewertet werden als blond- oder dunkelhaarig zu sein. Das wünsche ich mir. Aber das hängt eben auch von der eigenen Einstellung und dem eigenen Lebensstil ab.

In diesem Sinne – für mich ist absolut unwichtig ob jemand schwul, lesbisch, heti, bi, trans-, multi-, poly- oder metrosexuell ist. Sei einfach Dich selbst!

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10 Gedanken zu “Schwul zu sein bedarf es wenig…

  1. ChliiTierChnübler

    …viele Leute die fast ausschliesslich in einem schwulen Kosmos, z.B. in Zürich leben..

    Mit diesem Satz hast Du mir den Tag gerettet, danke :)

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  2. @queergedacht.de: Danke!@ctc: =) Ist zwar eine schöne Stadt mit dem See, aber voller Zürcher und Homos…*gröhl*@honigbaerli: Wie gesagt, ob man vom Umfeld akzeptiert hat, hat nach meiner Meinung auch immer etwas mit der eigenen Akzeptanz sich selber gegenüber zu tun! Du darfst gerne verlinken und nimm doch dieses Bild: http://farm3.static.flickr.com/2398/2216149831_f8998606f6.jpg?v=0 @bajaz: Siehst Du, auch die Heteros sind irgendwie seltsam… *ggg* ist ja aber auch kein Wunder bei ca. 90% Hetenanteil in der Bevölkerung.

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  3. honigbaerli

    Hallo Ihr beiden,
    ja finde ich toll, das es bei euch so gut läuft, ist aber leider nicht überall so!
    aber ich muss sagen ich habe das auch so und ich habe auch einige hetero bekanntschaften wo ich mich sehr wohl fühle zum beispiel am zürcher bloggyfriday, wo ich immer gern gesehen bin und ich meineswissens der einzige schwule bin!
    habe aber auch schon hören dürfen das wir schwule säue seihen kann ich aber damit umgehen !

    ich würde den beitrag gerne als gastbeitrag auf meinem blog auch noch eintragen also den ganzen text..am liebsten mit bild von euch beiden..was meint ihr dazu?

    fotos könnt ihr gerne an meine e-mailadresse senden (honigbaerli(at)gmail.com

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  4. bajaz

    Es gibt übrigens noch mehr Heteros, die in einem fast ausschliesslich heterosexuellen Kosmos leben… nicht nur in Zürich! ;))

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  5. *seufz* stoeps, ich finde es gut zu lesen wie du bist, wie ihr seid, wie du damit umgehst. es mag jedoch auch durchaus sein, dass es, wie bei uns heteros, eine frage des alters ist?! mein cousin ist seit ich ihn kenne schwul und ich war die einzige, mit der er darüber sprechen konnte. schon immer. er ist zwar so ein „weibischer“ typ, also mehr meine freundin als mein cousin, aber auch das ist ok, so liebe ich ihn, so mag ich ihn und das ist auch gut so. ach stoeps, wenn ich an dich denke, denke ich sofort an das bei mc gebloggte pool-bild, und das ist mit sicherheit nicht tuckig! *grins* ;-)(stoepsl heisst bei uns frauen auch tampon *gröhl*, also, wo ist der blaue faden versteckt???)

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  6. @little-wombat: Ich denke, die Gründe für das so-sein-wie-man-ist sind genau so vielfältig wie der Mensch selbst, den es betrifft! Auch das Alter spielt sicher eine Rolle.Mir persönlich hat natürlich auch geholfen, dass ich ein tolles Umfeld hatte. Ich war damals Sänger in einer Heavy-Metal Band und zu meinem Erstaunen fanden meine Kumpels, es gehöre eh zum guten Ton einen schwulen Sänger zu haben (wie Accept oder Queen usw). Die fanden das damals voll cool, eine Schwuppe als Kollegen zu haben und haben überall damit rumgeprahlt =) Und ich war halt schon immer rotzfrech, aufsässig und ein Draufgänger. Bin in Bikerkneipen wo Hell-Angels und ähnliche Clientel verkehrte gross geworden und das hat mich wohl geprägt. Die waren alle irgendwie schräg und da war mein Schwulsein nix besonderes. Man kann ja über Biker und Rocker sagen was man will, aber die sind irgendwie schon sehr tolerant und offen drauf.Ich habe auch schon sehr früh, so mit 16 angefangen Bücher über und von CG Jung und Freud zu lesen, interessierte mich für Psychologie und Esotherik und war nicht immer nur am rumsaufen. Natürlich gabs auch bei mir die Phase vor dem Coming-Out, wo ich mir selbst gegenüber erstmal klar werden musste, was das ist, was ich bin. Das war dann schon hart. Und irgenwann mit 16 Jahren wollte ich dann erstmal unter den Zug! Ich stand auch schon auf den Schienen. Aber irgendwie, durch den Luftdruck (oder wars ein Schutzengel?) wurde ich von den Schienen gefegt, als der Zug kam. Ich war total besoffen und bekifft und als ich dann das Bahnbord runtergerollt bin und mit dem Kopf auf dem Gehsteig der vorbeiführenden Strasse aufschlug, war ich mit einem Moment wieder glasklar und mir war blitzartig klar, dass ich mein Leben in die Hand nehmen muss und es so leben muss, wie es eben für mich richtig ist! Es war ein schicksalshafter Moment der mir wirklich in die Knochen fuhr. Aber – er hat mich auf den richtigen Weg gebracht. Und voila, da bin ich heute. Und bin absolut glücklich damit, wie ich bin. Es war aber zeitweise auch ein schwieriger Weg. Aber ich war auch immer bereit, die Herausforderungen des Lebens anzunehmen! Davonlaufen und Verdrängen ist nicht mein Ding! Und um diesen Charakterzug bin ich sehr froh! Und so denke ich geht jeder Mensch, egal wie er sexuell tickt, eben seinen Weg. Und man wächst ja immer nur in den schwierigen Situationen, wenn man sie denn auch annimmt. Die schönen Zeiten sind wohl nur zur Erhohlung gedacht…Auch Dein Cousin hat seinen eigenen Weg! Er ist bestimmt durch ihn selber und durch sein Umfeld. Seine Geschichte, seine Erfahrungen im Elternhaus usw. Aber am Schluss ist er derjenige der sich an den Weggabelungen entscheiden kann welchen Weg er gehen will oder ob er gar stehen bleiben möchte. Diese Verantwortung muss jeder Mensch im Leben ganz alleine selber tragen.Nur habe ich oft das Gefühl, dass eben genau dass oft nicht der Fall ist. Aber da muss man einfach wirklich durch. Den eigenen inneren Schweinehund mal richtig in den Arsch treten und sein Glück selbst in die Hand nehmen.Das wünsche ich uns allen: Die Kraft, unseres eigenen Glückes Schmied zu sein! Packen wir es an! Es ist unseres!

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  7. Thorsten

    Wörter wie „Schwuppe“ sind diskriminierend, auch wenn sie im Spass verwendet werden. Man sollte sich daher nicht anbiedern und klar gegen solche Wörter vorgehen, indem sie gelöscht/ersetzt werden.

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  8. Lieber Thorsten, ich respektiere Deine Meinung und wollte weder Dich noch andere homosexuelle Menschen damit diskriminieren. Allerdings haben wir da wohl sehr verschiedene Anischten. Meiner Meinung nach bringt das Bannen von Wörtern, generell Verbote in dieser Richtung gar nichts. Im Gegenteil, man verleiht solchen Bezeichnungen damit eher einen noch stärkeren Nimbus. Wenden allerdings wir selbst Betroffene solche Bezeichnungen selbstironisch an, verlieren sie an „negativer“ Kraft. So ist es doch auch mit dem Wort „Schwul“ geschehen, das ursprünglich ebenso despektierlich und negativ verwendet wurde und später von uns Betroffenen übernommen wurde. Deshalb lasse ich die „Schwuppe“ wo sie ist, möchte mich aber dennoch von einer diskriminierenden Haltung ausdrücklich distanzieren und bin mir bewusst, das der Gebrauch solcher Ausdrücke heikel ist.

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