photocredit: Takashi Toyooka
Was bisher geschah:
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Anne blickte in die finster wirkenden Gesichter der bewaffneten Männer und überlegte fieberhaft wie sie aus dieser Situation entkommen konnten. Sie und Luis traten noch einen Schritt zurück und blickten sich nun gegenseitig an. „Was sollen wir tun?“ fragte Anne leise, doch Luis zückte nur mit den Schultern. Sie sah ihm an, dass auch er keinen Ausweg sah. Als ihr klar wurde, dass es diesmal kein Entrinnen gab, liess sie ihre Arme sinken und ergab sich ihrem Schicksal.
Plötzlich erklang hinter ihnen ein schnarrendes Geräusch. Eine Schiebetür öffnete sich und Anne spürte, wie eine kräftige Hand ihren Arm erfgriff und sie nach hinten zog. Aus dem Augenwinkel konnte sie erkennen, dass auch Luis nach hinten gezogen wurde. Mit aller Kraft riss Anne an ihrer Reisetasche, die mit ihrem Gewicht ihrer Rückwärtsbewegung zusätzlichen Schub gab und Anne stolperte rückwärts. Die Schiebetür schloss sich nur einige Zentimeter vor ihrem Gesicht. „Schnell! Folgt mir!“rief eine ihr unbekannte Stimme. „Hier entlang!“ der Mann zeigte nach rechts in einen Korridor der nach ein paar Metern an einer Treppe endete die nach unten führte. Ohne darüber nachzudenken packte Anne ihre Tasche, griff nach Luis Hand und die beiden spurteten zusammen mit dem Unbekannten los. Die paar Meter bis zur Treppe waren schnell überwunden und sie rannten hinunter.
Die Luft in diesem Kellerraum war ein paar Grad kühler und erleichterte ihnen das Atmen. „Schnell, schnell, hier hinein!“ rief der Mann, der sie aus der misslichen Lage oben bei der Gepäckabholung befreit hatte und öffnete eine unscheinbare Tür, die zu einem weiteren Korridor mit etlichen Eingängen zu anderen Räumen führte. Hastig rannten sie vorwärts, bis die Stimme des Retters wieder erklang: „Halt! Hier hinein!“. Doch Anne konnte keine Tür entdecken. Der Mann bückte sich und löste ein Lüftungsgitter aus der Wand. „Schnell, schnell!“ rief er und Anne warf erst ihre Tasche hinein um dann selbst durch die Öffnung zu klettern. Luis folgte ihr in dem er ihr erst seinen Rucksack durchreichte und dann selbst durch den Durchgang kletterte. Der Mann folgte ihnen und hebelte geschickt hinter sich das Metallgitter wieder in die Ausparung. „Psst! Seid ganz leise!“ flüsterte er und Anne und Luis wagten kaum zu atmen. Im Korridor aus dem sie geflüchtet waren erklangen nun die Schritte einiger Männer und das metallene klappern ihrer Waffen. Sie rannten durch den Korridor, an dem Gitter vorbei und nach ein paar Minuten schien der Spuk vorbei zu sein.
„¡Bienvenidos a Perú!“ flüsterte der unbekannte Retter und Luis begann leise zu lachen. „Pedro! Du bist ein Teufelskerl! Deine Rettung kam in letzter Sekunde!“. Pedro lachte leise zurück und die beiden Männer umarmten sich herzlich. „Pedro, das ist Anne, Anne das ist Pedro. Mein Freund, der hier am Flughafen arbeitet!“. Anne schüttelte Pedro die Hand. „Ich weiss nicht, was ich sagen soll! Danke!“ sagte sie und war sichtlich damit beschäftigt, die letzten Sekunden einzuordnen. „Wo sind wir hier?“ fragte sie. „Im Keller mit den Fundsachen und der nicht abgeholten Gepäckstücken.“ antwortete Pedro. Anne schaute sich um und fragte sich, ob sich auch ihr Koffer hier befand. Pedro errat ihre Gedanken und lächelte schelmisch. „Deinen Koffer wirst Du hier nicht finden Anne, der steht in meinem Büro, zusammen mit dem Gepäck von Luis“ triumphierte Pedro. Sie schaute ihn an und ihr Gehirn brauchte ein paar Sekunden um den Sinn seiner Worte zu verstehen. Doch dann lachte sie los und umarmte Pedro stürmisch. „Danke Pedro! Vielen Dank!“ rief Anne. „Psst! Nicht zu laut!“ raunte dieser und schaute zu dem Lüftungsgitter. Wieder erklangen die Geräusche von mehreren Männern, die nun in langsamerem Tempo in entgegengesetzter Richtung durch den Korridor schritten. Jede Tür zu den angrenzenden Räumen wurde aufgestossen um nach erfolgloser Suche wieder geschlossen zu werden.
„Wir können nicht hier bleiben!“ sagte Pedro „sicher werden sie den gesamten Flughafen durchsuchen. Früher oder später werden sie uns finden!“ Er erklärte Luis den Weg zur Tiefgarage für das Flughafenpersonal. „Ich hole Euer Gepäck und wir treffen uns dann dort in spätestens 15 Minuten.“ sagte Pedro. „Seid vorsichtig, dass ihr nicht doch erwischt werdet!“ „Aber, die werden uns doch sofort erkennen, wenn sie uns sehen!“ erwiederte Anne. Luis pflichtete Anne bei und war von der Idee nicht sonderlich begeistert. „Moment!“ nickte Pedro. Er ging in einen Nebenraum und kam mit einer Uniform einer Flugbegleiterin und einem Overall eines Reinigungsangestellten zurück.
Kurze Zeit später schlichen Anne und Luis einen unterirdischen Gang entlang. Ihre Körper standen unter Hochspannung. Jeder ihrer Schritte hinterliess ein Frösteln auf Annes Rücken und der Schweiss rann ihr in Bächen über den Körper. Sie mussten nur noch einen Korridor weiter, dann links durch eine Tür um in die Tiefgarage zu gelangen. Anne ging vorsichtig auf diesen Durchgang zu und erstarrte vor Schreck, als sich die Tür öffnete und eine Gruppe von 3 jungen Damen, in der gleichen Uniform die auch Anne trug, auf sie zukam. Anne versuchte, sich nichts anmerken zu lassen und ging weiter. Auch die Nerven von Luis waren bis zum Zerreissen gespannt. Die drei Flugbegleiterinnen grüssten freundlich und Anne versuchte entspannt zu wirken und nickte mit einem erzwungenen Lächeln zurück. Nur noch ein paar Schritte, dann hatten sie Ihr Ziel erreicht.
Kaum hatten sie die Tür zur Tiefgarage geöffnet hörten sie hinter sich die Stimmen von Männern die sehr aufgeregt klangen. Offensichtlich waren nun einige Polizisten hinter ihnen und befragten gerade die drei Flugbegleiterinnen die ihnen vorher begegnet waren. Anne schnappte noch ein „No Señor, lo siento“ auf, als die kühle Luft der Garage sie umfing. Der Gestank von Diesel und Benzindämpfen vermischte sich mit dem Geschmack von Kerosin und Gummi. Anne rümpfte die Nase und zog Luis zu sich heran. „Wir sollten uns kurz hinter diesem Lieferwagen verstecken! Die Polizisten kommen sicher gleich in die Tiefgarage.“ Luis nickte und beide versteckten sich hinter einem dunklen Transporter. Keine Sekunde später flog die Tür auf. 5 Männer in Uniform durchschritten den Eingang, durch den auch Anne und Luis vorher kamen. Sie waren keine 10 Meter von ihnen entfernt und begannen nun mit ihrer Suche.
Anne und Luis hielten sich so still es nur irgendwie ging. Einer der Beamten kam immer näher auf sie zu, während die anderen sich verteilten und auf anderen Ebenen suchten. Der eine Polizist näherte sich nun dem Lieferwagen, hinter dem sich die beiden versteckt hielten und schaute durch das Seitenfenster in das innere des Wagens. Anne konnte seine Schritte hören und realisierte, dass er nun um den Wagen herumging. Es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, dann wurden sie entdeckt. Sie blickte sich zu Luis um und stellte mit Schrecken fest, dass dieser weg war. Er musste wohl vorne um die Front des Transporters geschlichen sein. Sie war alleine und verloren!
Anne stockte der Atem und es fühlte sich an als ob unsichtbare Hände ihr die Kehle zudrückten, als der Kopf des Polizisten hinter dem Lieferwagen erschien und sie anblickte. „¡hola ricura!“ grinste der Kerl schmierig und kam auf Anne zu. Sie war sich nicht sicher, ob er sie erkannt hatte oder ob er einfach die Situation ausnützen und einer vermeintlich eingeschüchterten Flugbegeiterin einen Schrecken einjagen wollte. „¿Que haces aquí mismo?“. Anne war sprachlos und brachte kein Wort hervor. Sie blickte den Kerl ungläubig an während dieser Schritt um Schritt auf sie zukam. „!la mar de bonito!“ raunte dieser nun und stiess einen anerkennenden Pfiff aus. Er trat noch einen Schritt auf Anne zu und stand nun dicht vor ihr. Sie konnte den Alkohol in seinem Atem riechen und begann am ganzen Körper zu zittern. Der Mann beugte sich vor und berührte ihren Hals mit seiner Nase. Tief zog er die Luft ein und roch an Anne wie ein Raubtier, dass seine Beute beschnüffelte. „!bueno!“ raunte er und schaute Anne nun direkt in die Augen.
Anne war in höchster Alarmbereitschaft. Jeder Muskel war wie die Sehne eines Pfeilbogens, zum Abschuss bereit, gespannt. Sein Gesicht näherte sich Annes nun bis auf ein paar Milimeter, er spitzte seine Lippen und wollte Anne augenscheinlich küssen. Das war das Signal für sie. Ihre Sicherungen brannten durch! Ohne nachzudenken hob sie ihr Knie mit einer Wucht, die Knochen brechen würde, zwischen die Beine ihres Peinigers. Volltreffer! Er keuchte, klappte vornüber und streifte Annes Uniform. Eine übelriechende Spur aus Speichel und Schweiss hinterlassend schoss sein Kopf, Annes Oberkörper streifend, hinab. Anne nahm beide Hände und ballte sie zu einer einzigen grossen Faust und schlug mit aller Wucht in den Nacken des stinkenden Polizisten. Dieser taumelte nun zur Seite und schlug mit dem Kopf heftig an die Seite des Lieferwagens. „¡qué puta!“ Die Worte kamen leise, atemlos und gepresst aus seinem Mund und er warf Anne einen tödlichen Blick zu. Anne konnte gerade noch sehen, wie seine Hand zur Waffe griff, als ein dumpfer Knall die Augen des Polizisten leer werden liess. Seine Pupillen rollten nach oben und er fiel der Länge nach, nach vorne auf den Boden. Hinter ihm erblickte sie Luis mit einem runden, kurzen, blutbeschmierten Holzbalken in der Hand. „Luis! Du… “ Er fiel ihr ins Wort: „Schnell, wir müssen ihn verstecken!“
Anne rüttelte an der Tür des Lieferwagens. Er war nicht verschlossen. „Hilf mir! Raunte sie Luis zu. Wir verstecken ihn hier drin!“ Luis packte den Polizisten unter den Achseln, während Anne seine Beine nahm. Gemeinsam hievten sie den leblosen Körper in den Wagen. Plötzlich hörte Anne Stimmen. „Schnell, rein!“ flüsterte sie und stieg mit Luis in den Transporter zu dem bewusstlosen Polizisten. So leise es ging schlossen sie die Seitentür. Keine zwei Minuten später konnten sie die anderen bewaffneten Männer ganz in der Nähe des Wagens hören. „¡Sangre, aqui!” rief nun einer und die Polizisten versammelten sich neben dem Lieferwagen.
Anne und Luis erstarrten und hielten den Atem an.
Weiter mit Fragemente 1.22 – Flucht aus der Dunkelheit