Fragmente 1.25 – Erinnerungen und neue Freunde

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„Wo ist Pedro?“ fragte Luis. Margaretha hantierte mit der Schöpfkelle „er wollte noch schnell etwas besorgen, wollte aber in etwas zwei Stunden wieder zurück sein, sagte sie und setze sich zu den beiden an den Tisch. „Das riecht sehr lecker!“ konstatierte Anne und machte sich sofort an ihre Suppe, welche so gut schmeckte, wie ihr Duft versprach. Auch Luis ass mit Appetit und man sah ihm an, dass es ihm ebenso mundete. Nur Margaretha schien nicht so hungrig zu sein. Ihre Augen klebten an Anne. Sie beobachtete jede ihrer Bewegungen und ab und zu huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Geradezu liebevoll betrachtete sie, wie Anne das Mahl genoss. Nach der Suppe gab es Eintopf mit Bohnen, Kartoffeln und Fleisch. Anne und Luis assen alles auf und putzen die restliche Sauce mit ein paar Stücken Brot aus ihren Tellern.

Margaretha stand auf und räumte das Geschirr in die Küche. „Hast Du bemerkt, wie sie dich beobachtet hat?“ flüsterte Luis zu Anne gebeugt. „Nein, ich war zu beschäftigt mit dem Essen! Wieso, was ist Dir aufgefallen?“ raunte Anne zurück. „Na…“ wollte Luis antworten, da kam Margaretha bereits mit dem Dessert. „Und hier präsentiere ich Euch Suspiro de Limeña, das ich extra für Euch zubereitet habe. Ich hoffe, es schmeckt euch!“ lächelte Margaretha die beiden an und stellte ihnen je eine Schale hin. „Hmmm!“ raunte Luis, „es schmeckt sehr lecker!“. Anne probierte vorsichtig um dann gleich eine grössere Portion auf den Löffel zu hieven. Es war eine Creme die  nach Caramel duftete und von feinen Meringues gekrönt war, die nach Portwein und Zimt rochen.

Margaretha strahlte als sie merkte, wie Anne und Luis ihr Essen genossen. Als auch das Dessert vertilgt war, verschwand die Gastgeberin wieder in der Küche. „Sie hat Dich beobachtet. Jede Bewegung von Dir hat sie regisitriert und zwischendurch lächelte sie ganz selbstvergessen!“ setzte Luis das unterbrochene Gespräch fort. Anne versank in ihren Gedanken. „Ich habe da so eine Ahnung!“ raunte sie Luis zu und bevor sie weiter sprechen konnte, kam Pedros Mutter mit Kaffee und einer Flasche Pisco und 3 kleinen Gläsern. Sie goss jedem eine Tasse Kaffee und einen Schnaps ein.

Anne hatte das Essen genossen. Es schmeckte wunderbar. Doch innerlich waren ihre Nerven zum Zerreissen gespannt. Das Geheimniss um Margaretha liess sie nicht mehr los. In ihrem Kopf legte sie sich pausenlos Sätze zurecht, wie sie ihre Gastgeberin auf dieses Thema ansprechen könnte. Margaretha sah in die zufriedenen Gesichter ihrer Gäste. Sie lächelte aber Anne sah, dass auch Margartha dabei war, Worte zu suchen um ein Gespräch zu beginnen.

„Anne“ begann Pedros Mutter. Anne zuckte zusammen, die Gedanken rasten durch ihren Kopf. „Anne Kammermann“ wiederholte nun Margaretha den Namen und blickte Anne dabei mit warmen Augen an. Anne war unsicher. Sie lächelte und überlegte fieberhaft, ob sie darauf etwas antworten sollte. „Anne“ hob Margaretha abermals an und fuhr weiter „ich glaube, Du hast schon herausgefunden, dass es zwischen uns eine Verbindung gibt.“ Sie wendete ihren Blick nicht von Anne ab und nahm jede Regung in ihrem Gesicht wahr. Sie lächelte wieder „Du siehst Deinem Vater so ähnlich!“ sagte Margaretha plötzlich und Anne sah, dass sich ihre Augen mit Tränen füllten. Annes Blick wanderte tiefer und mit einem Male sah sie ein Amulett an Margarethas Hals baumeln, dass das gleiche ägyptische Symbol zeigte, dass Annes Vater als Tätowierung auf dem Rücken trug.

„Woher kennst Du meinen Vater?“ fragte Anne nun, obwohl sie tief in sich verborgen bereits ahnte, welcher Art die Verbindung war. Margaretha erzählte nun davon, wie sie damals zusammen mit Raouls und Annes Vater bei den Ausgrabungen half. Immer wieder kämpfte sie mit den Tränen und mit einem Male nahm sie Annes Hände und sagte langsam und sanft: „Dein Vater und ich liebten uns damals und um erhlich zu sein, ich liebe ihn noch immer!“ Anne war sprachlos, obwohl sie dies bereits erahnt hatte.

Anne sah Margaretha, deren Gesicht warm leuchtete und die sie aus tränennassen Augen sanft anlächelte, lange an. „Du….Du und mein Vater, ihr….“ stotterte Anne, „ihr wart verliebt?“. Anne fand langsam zu sich zurück. In ihrem Kopf tauchten Bilder aus ihrer Kindheit auf, als ihr Vater in Peru weilte und ihre Mutter oft weinend am Küchentisch sass. Sie hatte Anne immer getröstet und nie ein böses Wort über ihn verloren, doch er musste ihr damals seine Liebe zu Margaretha gebeichtet haben. Denn als er zurückkehrte, trennten sich Annes Eltern. Sie hatte das damals nicht verstanden. Nun verstand sie. Sie fühlte wie die Traurigkeit von damals in ihr hochstieg. Ihre Sorge um ihre Mutter, die sie über Nächte hin wach gehalten hatte, schlich als Schatten aus der Vergangenheit zurück in ihr Erinnerungsvermögen. Andererseits empfand sie aber auch Respekt für ihren Vater, der seine Liebe nicht verbarg, sondern den Mut fand, den Weg seines Herzens zu gehen.

Margaretha blickte Anne immer noch an. Da war noch etwas, dass sie Anne zu sagen hatte. Sie zog langsam Luft in ihre Lungen: „Anne, da ist noch etwas, dass Du nicht weisst. Es geht um Pedro. Er ist Dein Halbbruder!“ Anne konnte nicht glauben, was sie da hörte. Sie war als Einzelkind aufgewachsen und hatte sich immer einen Bruder gewünscht. Nun zu erfahren, dass es ihn gab, war seltsam für sie. Irgendwie war sie noch dabei die Geschichte mit Margaretha und ihrem Vater zu verdauen. Aber zu erfahren dass Pedro ihr Halbbruder war, war weniger ein Schock als etwas, dass Freude in ihr auslöste. Sie lachte. „Ich habe einen Bruder? Pedro ist mein Bruder?“ rief sie. Sie drehte sich zu Luis um „hast Du gehört? Ich habe einen Bruder!“. Er nickte und war sichtlich überfordert von all diesen Neugikeiten.

„A Propos Pedro“ antwortete Luis plötzlich, wo ist er überhaupt? Anne und Margaretha sahen sich überrascht an. „Ja Margaretha, wo ist Pedro? Er wollte doch in zwei Stunden zurück sein!“. Pedros Mutter runzelte die Stirn. Es stimmte, er hatte ihr gesagt, dass er bald zurückkommen würde und dieses „bald“ war schon lange vorbei. Margaretha stand auf, ging zum Telefon und wählte seine Handynummer. Mit jeder Sekunde in der er den Anruf nicht beantwortete, verdunkelte sich ihr Gesicht. Die Stimmung im Raum kippte plötzlich. Ein unheilvoles Gefühl machte sich breit. Alle wussten um die Gefahren, die sie umgaben. Margaretha versuchte sich selbst Mut zuzusprechen. „Er wird sicher noch kommen! Morgen wollte er Euch ja zum Büro von Raoul fahren, damit ihr Eure Suche planen und mit seiner Assistentin sprechen könnt.“ Sagte sie, mehr um sich selbst als die anderen zu beruhigen.

„Ich setze neuen Kaffee auf!“ sagte Margaretha und versuchte zu lächeln. Aber es wollte ihr nicht gelingen und der Raum wirkte nun plötzlich viel dunkler als noch ein paar Minuten zuvor. Anne goss allen noch ein Glas Pisco ein und Margaretha kam wenig später mit dem Kaffee zurück. Wortlos sassen sie an dem Tisch und versuchten das Gesagte der letzten Stunden und die unheilvolle Vorahnung, die im Raum stand, zu begreiffen. Margaretha starrte auf das Telefon, als ob sie mit ihrem Blick den Apparat zu bringen könnte sie auf wundersame Weise mit Pedro zu verbinden. Die Stille war unerträglich, hing schwer über den Köpfen der drei Wartenden. Margaretha stand auf, ging in die Küche und kam mit einer Zigarette in der Hand zurück. Sie ging zum Fenster, öffnete es, steckte sich die Zigarette mit einem Streichholz an und sog den Rauch tief in ihre Lungen. Ihre Augen wanderten in die dunkle Nacht. Sie versuchte die schwarzen Gedanken zu verscheuchen und dachte sich eine harmlose Möglichkeit nach der anderen aus, weshalb Pedro noch nicht zurück sein könnte. Doch die Angst, dass etwas passiert sein konnte, schlich wie Eiseskälte in ihr hoch.

Sie blies den Inhalt ihrer Lungen mit gespitzten Lippen in die kühle Nachtluft sah den Schwaden hinterher. In ihren Gedanken rief sie, nein sie schrie Pedros Namen und dass er sich melden solle! Doch das Telefon schwieg. Noch nie zuvor war ihr bewusst, wie still so ein Apparat sein konnte, wenn man sich nach nichts mehr sehnte, als einem Klingeln.

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